Ein neuer Aufbruch für Europa

13.11.2019

Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind Aufgaben, die nur mit vereinten Kräften bewältigt werden können. Die Bundesregierung tritt entschlossen für ein starkes Europa mit einer gewichtigen Stimme in der Welt ein. Ein Europa, das für eine freiheitliche, multilaterale Weltordnung mit klaren Regeln steht und seinen Beitrag zu Frieden und Stabilität leistet, sozial ist, die Digitalisierung erfolgreich gestaltet und sich für den Klimaschutz einsetzt. Ein Europa, das Wohlstand sichert und die Interessen und Werte der Bürgerinnen und Bürger wahrt und schützt.

Was wir bereits auf den Weg gebracht haben

Die deutsch-französische Partnerschaft ist die tragende Säule für den Fortschritt in Europa. Daher haben wir mit dem Vertrag von Aachen im Januar 2019 den historischen Elysee-Vertrag erneuert und viele gemeinsame Projekte für die Zukunft vereinbart, mit deren Umsetzung wir im Anschluss begonnen haben. Dazu gehört auch eine enge Abstimmung in der Europapolitik.

Ein zukunftsfähiger Binnenmarkt, eine stabile Wirtschafts- und Währungsunion und eine kraftvolle Handelspolitik sind entscheidend für die Sicherung von Wohlstand in Deutschland und Europa. Wir haben uns zunächst mit Frankreich auf zentrale Eckpunkte für Reformen der Wirtschafts- und Währungsunion verständigt und uns dann auch mit den weiteren Partnern geeinigt. Der Europäische Stabilitätsmechanismus wird in seiner Aufgabe als „Europäischer Währungsfonds“ weiterentwickelt,  hiermit  die Schuldentragfähigkeit  gestärkt  und mit  der Bankenunion die Stabilität der europäischen Banken erhöht. Ein wichtiges Element ist dabei ein neues „Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit“ für die Eurozone, auf dessen Eckpunkte wir uns im Kreis der Eurostaaten geeinigt haben. Dieses wird ab dem Jahr 2021 Investitionen und wachstumssteigernde Reformen in den Mitgliedstaaten unterstützen. Damit legen wir einen weiteren
Grundstein dafür, dass die Eurozone und Europa insgesamt stärker, stabiler und auch solidarischer werden. Europa braucht neues Wachstum, auch durch die Integration seiner Banken- und Kapitalmärkte. Dazu haben wir seit Anfang 2018 13 Dossiers abschließen können.

Wir haben wichtige Schritte auf europäischer Ebene hin zu einem faireren Steuersystem gemacht. Wir haben den Vorschlag, die Finanztransaktionssteuer zur faireren Besteuerung des Finanzsektors nach französischem Vorbild auszugestalten, aufgegriffen und dies gemeinsam mit Frankreich den anderen europäischen Partnern der sogenannten Verstärkten Zusammenarbeit vorgeschlagen. Um einen Wettlauf nach unten bei den Unternehmenssteuern zu verhindern, wollen wir eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer in Europa einführen. Hierzu haben sich Deutschland und Frankreich im Sommer 2018 auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt, den die EU-Kommission in ihrem Richtlinienentwurf aufgegriffen hat. Um eine gerechte Besteuerung großer Konzerne, gerade auch der digitalen Wirtschaft, zu erreichen, haben wir gemeinsam mit Frankreich  eine  Initiative  für eine  globale  effektive Mindestbesteuerung und zur effektiveren Besteuerung großer globaler Digitalunternehmen gestartet. Gegenwärtig arbeiten wir bei OECD, G7 und G20 mit Hochdruck daran, dass die konkrete Regelung im nächsten Jahr international beschlossen werden kann.

Um Wachstum und Wohlstand in allen Mitgliedstaaten zu steigern, haben wir uns gemeinsam mit unseren europäischen Partnern beispielsweise für eine Stärkung von Investitionen durch „InvestEU“ eingesetzt. Mit dem Programm, das dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) nachfolgt, sollen im nächsten mittelfristigen EU-Finanzrahmen zusätzliche private und öffentliche Investitionen in Europa mobilisiert werden. Mit den Maßnahmen der Kapitalmarktunion schaffen wir zum Beispiel neue Finanzierungsinstrumente.

Nach langem Ringen haben sich das Europäische Parlament, die EU-Kommission und der Rat auf eine Europäische Urheberrechtsrichtlinie verständigt. Sie soll einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen Urhebern, Werkmittlern, Plattformen und Nutzern ermöglichen. Insbesondere die Einführung eines Europäischen Verlegerrechts und die verstärkte Verantwortung der Plattformen im Hinblick auf das Verhindern von Urheberrechtsverstößen waren in der deutschen Öffentlichkeit sehr umstritten. Deshalb hat die Bundesregierung zu der Abstimmung im Europäischen Rat eine umfangreiche Protokollerklärung abgegeben und darin eine nationale Umsetzung angekündigt, die kommunikative Freiheitsrechte umfassend schützt.

Grundlegend für den Binnenmarkt ist die Mobilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Mit der 2018 überarbeiteten Entsenderichtlinie und der Gründung der Europäischen Arbeitsbehörde in diesem Jahr haben wir die Regeln des europäischen Arbeitsmarktes fairer gemacht. Künftig gilt in der EU weitgehender als bisher das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. Das gewährleistet einen fairen Wettbewerb der Unternehmen untereinander, schützt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland vor Lohndumping sowie die Arbeitskräfte aus der EU vor Ausbeutung und Missbrauch.

Mit der im Februar 2019 verabschiedeten Vereinbarkeits-Richtlinie wir eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf in ganz Europa voran.

Mit „DiscoverEU“ haben wir in der EU erstmal ein kostenloses europaweites Interrail-Ticket für 18-Jährige eingeführt, um EU-Staaten unkompliziert per Zug zu bereisen und jungen Europäerinnen und Europäern die Gelegenheit für die Begegnung mit anderen Jugendlichen aus ganz Europa zu geben. Seit dem Startschuss im Juni 2018 haben rund 50.000 junge Bürgerinnen und Bürger einen Travel-Pass erhalten.

Eng verknüpft mit den wirtschaftlichen Aspekten des Binnenmarktes sind die ökologischen Belange. Hier haben wir mit der europaweiten CO2-Regulierung für Pkw und Lkw neue EU-weite Vorgaben und Anreize zur Senkung des CO2Ausstoßes von Pkw, Lkw und Bussen geschaffen – im Fall von Lkw zum ersten Mal überhaupt auf europäischer Ebene. Diese Regelungen verbessern den Klimaschutz und sichern zugleich zukunftsfähige Arbeitsplätze. Zur Bekämpfung und Vermeidung von Plastikmüll, vor allem in den Meeren, haben wir uns in der EU geeinigt, bestimmte Einwegkunststoffprodukte zu verbieten und insbesondere den Verbrauch von Kunststoffverpackungen zu reduzieren.

Wir haben uns in Europa für eine stärkere Berücksichtigung von Sozial- und Umweltstandards in den europäischen Handelsabkommen eingesetzt.

Europa rückt auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik enger zusammen. Mit der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Permanent Structured Cooperation, PESCO) im militärischen Bereich und dem Europäischen Verteidigungsfonds (grenzüberschreitende Projekte) haben wir die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik einen großen Schritt vorangebracht. Deutschland spielt eine führende Rolle dabei, die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit mit Leben zu füllen: Seit dem Gründungsbeschluss von PESCO im Dezember 2017 wurden viele neue, konkrete Projekte vereinbart. Deutschland ist aktuell an 14 Projekten beteiligt und hat bei sechs davon eine koordinierende Funktion übernommen.

Auch die Asyl- und Migrationspolitik ist eine Aufgabe, die sich nur gemeinsam bewältigen lässt. Allerdings gibt es innerhalb der EU sehr unterschiedliche Vorstellungen über den richtigen Weg. Daher konnte bisher keine Einigung zu den Vorschlägen der EU-Kommission zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) erreicht werden. Die Bundesregierung setzt sich in den Verhandlungen in Brüssel dafür ein, dass es zu einer europäischen Gesamtlösung kommt mit dem Ziel eines solidarischen und krisenfesten Systems. Dazu gehört insbesondere auch ein fairer Verteilmechanismus.

Für den Außengrenzschutz wurde mit der Novelle der Frontex-Verordnung eine deutliche personelle und finanzielle Aufstockung und ein erweitertes Mandat für Frontex erreicht, um so die Mitgliedstaaten der EU beim Schutz der Außengrenzen und bei Rückführungen wirksamer unterstützen zu können. Deutschland stellt dabei das größte Kontingent an Personal in der Europäischen Union. Wir leisten weiterhin unseren Beitrag zu Aufnahmekontingenten humanitär Schutzbedürftiger (Resettlement) und innerhalb der EU übernimmt Deutschland einen Beitrag bei der Übernahme von Flüchtlingen und Migranten, die im Wege der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer gerettet wurden. Gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten engagiert sich Deutschland weiterhin für einen temporären Mechanismus zum Umgang mit aus Seenot geretteten Menschen.

Die EU der 27 haben in den schwierigen Verhandlungen über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (Brexit) mit einer Stimme gesprochen. Der Bundesregierung ist wichtig, die Auswirkungen des Brexit für die Bürgerinnen und Bürger so gering wie möglich zu halten. Deshalb haben wir innerstaatlich gesetzliche und administrative Vorkehrungen für den Austritt Großbritanniens getroffen, unabhängig davon ob dieser geregelt oder ungeregelt erfolgt.

Was wir noch vorhaben

Weil Europa für uns untrennbar mit demokratischen und rechtsstaatlichen Werten verbunden ist, setzen wir uns dafür ein, dass diese innerhalb der EU konsequenter durchgesetzt werden. Deshalb unterstützt die Bundesregierung die Europäische Kommission bei ihren Bemühungen zur Stärkung der Rechtstaatlichkeit in einzelnen Mitgliedstaaten und ihrem Vorschlag, Rechtsstaatskonditionalität im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen der EU zu verankern.

Im Rahmen der Verhandlungen des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) wollen wir dafür sorgen, dass der EU-Haushalt Europa zukunftsfest macht. Für uns ist eine Modernisierung des MFR daher essentiell. Wir müssen den MFR auf gemeinsame Herausforderungen und Zukunftsaufgaben ausrichten, die einen echten, für Bürgerinnen und Bürger spürbaren europäischen Mehrwert schaffen. Dazu gehören gemeinsames Außenhandeln, Schutz der Außengrenzen, geordnete Migration, Exzellenz in der Forschung, Klimaschutz und Chancen für die Jugend. Die Verlässlichkeit etablierter Politiken wird dabei nicht in Frage gestellt. Wir sind zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit. 

Den gemeinsamen deutsch-französischen Vorschlag  für eine europäische Finanztransaktionssteuer (FTT) wollen wir im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit mit den Partnern zügig zum Abschluss bringen.

Auch bei der Reform der Währungsunion werden wir die auf der Basis der deutsch-französischen Vorschläge erfolgte Grundsatzeinigung vom Dezember 2018 zur Stärkung des Europäischen Stabilitätsmechanismus nun zeitnah in konkrete europäische Rechtsakte fassen.

Die Bundesregierung wird die neue EU-Kommission dabei unterstützen, die Vollendung des digitalen Binnenmarktes weiter voranzutreiben. Wir wollen die europäische digitale Souveränität gewährleisten und die Stärken und  Innovationskraft Europas entschlossen nutzen. Dazu gehören auch strategische  Investitionen in Forschung und Entwicklung digitaler Technologien, unter anderem über die Programme „Digital Europe“ und „Horizont Europa“, die „Connecting Europe Facility“ sowie „InvestEU“.

Wir unterstützen  zudem  die gewählte  Präsidentin der Europäischen Kommission dabei, auf EU-Ebene den Abbau von Bürokratie für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen voranzutreiben und „One In, One Out“ als Arbeitsmethode der Kommission zu etablieren.

Spätestens im nächsten Jahr wollen wir auf europäischer Ebene eine ambitionierte EU-Klimalangfriststrategie beschließen, um den Beitrag der EU zur Umsetzung des Übereinkommens von Paris zu konkretisieren und Europa zu einem Vorreiter im Klimaschutz weltweit zu machen. Dabei wollen wir einen Plan erarbeiten, wie Treibhausgasneutralität bis 2050 erreicht werden kann.

Bei der anstehenden Weiterentwicklung und Neujustierung der Agrarförderung engagieren  wir uns für eine  finanziell angemessen   ausgestattete  Gemeinsame Agrarpolitik. Neben den einkommensstützenden Zahlungen und der Sicherung der Ernährung in der ersten Säule, werden wir uns verstärkt für eine an Umwelt-, Klima- und Tierhaltungsanforderungen ausgerichtete zweite Säule einsetzen.

Um die EU außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähiger zu machen, sollen die im Rahmen des übergeordneten Zieles der Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion (EVU) geschaffenen neuen Strukturen ausgebaut und weiterentwickelt werden. Die Bundesregierung wird sich weiter für eine gemeinsame Rüstungsexportpolitik, einschließlich der Exportkontrolle, einsetzen. Wir wollen außerdem, dass Entscheidungswege in der Außenpolitik überdacht werden und etwa Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit vereinbart werden können, wo die Verträge der EU diese ermöglichen.

Die Bundesregierung wird im Sommer 2020 die Ratspräsidentschaft in der EU übernehmen und mit eigenen Initiativen die Weiterentwicklung der Europäischen Union befördern. Die gewählte  Präsidentin der  neuen Europäischen Kommission hat eine Reihe von weitreichenden Vorschlägen angekündigt, die wir  unterstützen wollen.

Den Vorsitz Deutschlands im Ministerkomitee des Europarats ab November 2020 werden wir für die Bewahrung rechtstaatlicher Standards, die Aufrechterhaltung der internationalen Ordnung und friedliche Konfliktbeilegung nutzen.

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